
Inhaltsverzeichnis
Wichtigste Erkenntnisse
- Chargenunterschiede bei medizinischem Cannabis sind normal, weil jede Pflanze individuell wächst und natürliche Variationen aufweist.
- Eine Charge umfasst mehrere Kilogramm Cannabis, die aus einer bestimmten Anbau- und Produktionsreihe stammen.
- Unterschiede in Cannabinoid- und Terpenprofilen entstehen durch genetische Faktoren, Umweltbedingungen und Verarbeitungsschritte.
- Hersteller versuchen, Chargen konsistent zu halten, aber Schwankungen sind unvermeidlich, besonders bei Naturprodukten.
- Patienten sollten sich bewusst sein, dass Chargenunterschiede Geschmack, Wirkung und Verwendbarkeit beeinflussen können.
Patienten, die regelmäßig medizinische Cannabisblüten aus der Apotheke kaufen, kennen das Problem: Die eine Charge einer bestimmten Sorte ist perfekt, die nächste schmeckt dann aber auf einmal anders, riecht unterschiedliche oder wirkt sogar ungewohnt. Doch warum ist das so? Sollte medizinisches Cannabis nicht eigentlich standardisiert sein? In diesem Artikel erfährst du, woher diese Unterschiede kommen und was Patienten tun können, um am besten damit umzugehen.
Warum gibt es Qualitätsunterschiede bei medizinischem Cannabis?
Bei der Cannabis-Therapie spielen Cannabisblüten eine entscheidende Rolle, da sie am häufigsten verschrieben werden, doch nicht jede Charge jeder Sorte ist unbedingt gleich. Unterschiede in Konzentration der enthaltenen Cannabinoide wie Cannabidiol (CBD) und anderen Wirkstoffen entstehen durch Faktoren wie unterschiede beim Anbau, Verarbeitung, Lagerung, Transport und genetischen Vielfältigkeit der Pflanze. Diese Variationen sorgen dafür, dass selbst eine Sorte mit dem selben Namen ganz unterschiedliche sensorische Eindrücke und Wirkungen bei verschiedenen Patienten auslösen kann.
Patienten gehen zu erstmal zu Recht davon aus, dass medizinisches Cannabis immer identisch sein sollte. Doch obwohl es strengen Qualitätskontrollen unterliegt und nach dem sogenannten GMP- und GACP Standard angebaut wird, gibt es einige Faktoren, die dennoch zu Abweichungen führen können:
- Chargengröße: Meist umfasst eine Charge, eine Ernte der Sorte unter bestimmten Bedingungen, mehrere Kilogramm getrockneter Blüten, was für eine große Variation zwischen beispielsweise Top-Head Buds und weiter unter liegenden Blüten sorgen kann
- Genetische Vielfalt: Selbst innerhalb einer Sorte gibt es natürliche Variationen.
- Anbaubedingungen: Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Licht beeinflussen das Cannabinoid-Profil. Unterschiedliche Chargen können theoretisch immer leichten Schwankungen unterliegen.
- Terpengehalt: Terpene sind flüchtige Verbindungen, die leicht durch Trocknung und Lagerung beeinflusst werden. Die Zeit und Lagerung kann erheblichen Einfluss auf das sensorische Erlebnis und sogar die Wirkung haben
- Trocknung & Fermentierung: Diese Prozesse bestimmen, wie sich Aroma, Feuchtigkeit und Konsistenz entwickeln. Unterschiede bei der Trocknung oder gar Fehler können ebenfalls für Chargenunterschiede sorgen.
Manchmal bemerken Patienten geringere Unterschiede kaum und in anderen Fällen können sie deutlich spürbar sein. Dies ist auch von Patient zu Patient abhängig, da jeder Körper Cannabis anders verarbeitet und somit jeder Patient den Konsum von Cannabis unterschiedlich erfährt. Manch einer mag Unterschiede im Geschmack, der Wirkung oder anderen Aspekten deshalb weniger wahrnehmen, und andere wieder rum viel mehr.
Warum kann der THC- und CBD-Gehalt schwanken?
Cannabinoide wie THC und CBD sind maßgeblich für die Wirkung von medizinischem Cannabis verantwortlich. Doch auch hier kann es Unterschiede geben:
- Erntezeitpunkt: Früh geerntete Pflanzen enthalten oft weniger THC, während spätere Ernten höhere Werte aufweisen.
- Analysewerte auf der Verpackung: Jede Charge wird im Labor getestet. Diese Werte können jedoch um mehrere Prozentpunkte schwanken. Je nach Charge erhalten die Sortenbezeichnung in der Regel dann auch eigene Nummern, die Aufschluss über das Verhältnis zwischen THC zu CBD geben (Bsp. Sorte XY 25/1)
- Extraktionsmethoden: Bei verarbeiteten Produkten wie Ölen oder Extrakten können ja nach Verarbeitungsprozess auch noch größere Unterschiede entstehen, auch gezielt.
- Lagerbedingungen: Falsche Lagerung kann den Cannabinoid-Gehalt beeinflussen.
Wie beeinflussen Terpene das medizinal Cannabis?
Terpene bestimmen den Geruch, Geschmack und teilweise auch die Wirkung von Cannabis. Doch warum verändern sie sich?
- Flüchtige Verbindungen: Terpene verdampfen leichter als Cannabinoide, vor allem bei längerer Lagerung.
- Lichteinfluss: UV-Strahlung kann Terpene abbauen und das Aroma verändern.
- Feuchtigkeitsgehalt: Trocknet die Blüte zu stark aus, kann sie dadurch Terpene verlieren.
- Wechsel zwischen Chargen: Manche Patienten empfinden den Wechsel als stärker, weil sie auf Terpene empfindlicher reagieren.
Hier zeigt sich: Auch wenn der THC-Gehalt gleich bleibt, können Terpenschwankungen die Wirkung verändern.
Der Entourage Effekt
Der Entourage Effekt beschreibt das Zusammenspiel aller aktiven Inhaltsstoffe der Cannabispflanze. Cannabinoide wie THC und CBD, aber auch Terpene und Flavonoide wirken nicht isoliert, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Diese natürliche Synergie kann die medizinische Wirkung verstärken, abmildern oder in eine bestimmte Richtung lenken. Deshalb setzen viele Präparate bewusst auf Vollspektrum Extrakte. Dabei spielen die genaue Zusammensetzung und Qualität der einzelnen Charge eine entscheidende Rolle.
Schwankungen im THC Gehalt oder in der Terpenstruktur können dazu führen, dass ein Präparat stärker sedierend, anregender oder schmerzlindernder wirkt als erwartet. Für Patienten bedeutet das, dass sich die Wirkung von medizinischem Cannabis bei unterschiedlichen Chargen spürbar verändern kann, auch wenn das Produkt formal gleich bleibt. Eine sorgfältige Auswahl der Sorte und eine individuelle Anpassung der Therapie sind deshalb unverzichtbar.
Wissenschaftliche Perspektive auf medizinisches Cannabis
Eine Studie von Grotenhermen und Müller-Vahl (2016) in Suchttherapie (1) zeigt, dass Cannabis und Cannabinoide eine wachsende Rolle in der Medizin spielen. Die Autoren betonen, dass die Wirkstoffe von Cannabis, insbesondere THC und CBD, vielseitige Anwendungsmöglichkeiten bieten. Dabei spielen Dosierung, individuelle Verträglichkeit und unterschiedliche Chargen eine wichtige Rolle für Patienten. Die Forschung zeigt, dass trotz Standardisierung immer natürliche Schwankungen auftreten, die für Nutzer von medizinischem Cannabis spürbar sein können.
Fazit:
Chargenunterschiede bei medizinischem Cannabis sind völlig normal, denn sie entstehen durch die Natur der Pflanze. Auch wenn Hersteller hohe Qualitätsstandards einhalten, bleibt Cannabis ein Naturprodukt, das immer leichte Variationen aufweist.
Für Patienten bedeutet das: Wer bei einer neuen Charge eine veränderte Wirkung bemerkt, sollte auf die Terpenprofile, die Lagerung und die Analysewerte achten. Manche Unterschiede sind eher subjektiv wahrnehmbar, andere zeigen sich deutlich in der Wirkung. Hersteller arbeiten kontinuierlich daran, die Produkte so einheitlich wie möglich zu gestalten, doch vollständig vermeiden lassen sich natürliche Schwankungen nicht.
Quellen
- Grotenhermen, F., & Müller-Vahl, K. (2016). Cannabis und Cannabinoide in der Medizin: Fakten und Ausblick. Suchttherapie. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1055/s-0042-100702.
Mehr lesen